Zuverlässige Russ:innen?!

Seit Eskalation des russisch-ukrainischen Krieges am 24. Februar 2022 lese ich jeden Tag online ukrainische und russische (exil-/oppositionell und staatlich) Nachrichten.

Eine Konstante in den ukrainischen Medien ist die Aussage, dass niemand niemals der russischen Führung, dem russischen Staat und deren Institutionen trauen darf. Verhandlungen sind nicht möglich, denn Absprachen oder gar Verträge werden nicht eingehalten.

Eine einzige Ausnahme wird regelmäßig erwähnt: Für Absprachen zum Austausch von Kriegsgefangenen gibt es Gesprächskanäle, und die Vereinbarungen werden eingehalten.

Für alle anderen Lebenslagen, und insbesondere Geschäftsbeziehungen, vor allem im Energiebereich, gilt: Auf gar keinen Fall. Nicht nur wegen der Unzuverlässigkeit bis Unberechenbarkeit russischer Staatsorgane, sondern natürlich auch, weil jeder Kontakt, jedes Gespräch und jede Wirtschaftsbeziehung das russische Regime aufwertet und stützt.

Erdöl oder Erdgas aus Russland geht gar nicht. Total aber so was von gar nicht!

Das sagt nicht nur die ukrainische Regierung. So werden in ukrainischen Medien auch regelmäßig, eher einmal am Tag als einmal die Woche, baltische Regierungsvertreter:innen zitiert. Geschäfte mit Russland machen nur Verräter:innen. Geschäfte mit Russland gehen gar nicht, weil man sich ausliefert.

Ich lese die Kriegspropaganda, um zu verstehen, was beide Seiten umtreibt. Ich hatte gedacht, ich hätte was verstanden. Die ukrainischen und baltischen Regierungen tolerieren nicht, dass wer auch immer in der EU Geschäfte mir Russland macht. Insbesondere im Energiebereich. So weit, so klar, so nie wieder Erdgas oder Erdöl aus Russland. Darauf bestehen die postsowjetischen Staaten.

Und dann, am 30. November 2024 zwei kleine Artikel zum Thems Stromversorgung, die bei mir große staunende Augen ausgelöst haben:

Artikel UA Pravda (Ukrainisch)

Artikel TASS (Russisch)

Ukrainische und russische Medien berichten übereinstimmend, dass die Stromnetze der baltischen Staaten noch im aus Sowjetzeiten geerbten Modus laufen und erst am 8. Februar 2025 auf EU-Modus umgestellt.

Das sagt nicht nur die ukrainische und russische Kriegspropaganda, das bestätigen auch andere Quellen:

Eurasia Review (Englisch)

EU Commission (Englisch)

Die EU zahlt auch ganz ordentlich für die Umkoppelung. 1,2 Milliarden Euro werden in diesem Artikel erwähnt:

Foreign Policy Research Institute (Englisch)

Wenn also mal wieder von unzuverlässigen Russ:innen die Rede ist, mit denen keine Verhandlungen und Wirtschaftsbeziehungen möglich sind, erst mal checken, ob die Umkoppelung der Stromversorgung schon abgeschlossen ist…


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