Multiform statt Uniform

“Wir” und “die”, eine ganz wichtige Unterscheidung für die Entwicklung von Stereotypen bis hin zu Feindbildern. Unter vielerlei Gesichtspunkten irrelevante einzelne Merkmale von Menschen werden herausgegriffen und in ihrer Bedeutung überhöht, um dann pauschal von “den Männern” versus “den Frauen” oder “den Weißen” versus “den Schwarzen” sprechen zu können. Wir alle lernen schon als Kinder, Geschlecht und Hautfarbe zu unterscheiden, und können dann unser ganzes erwachsenes Dasein damit verbringen, uns diesen antrainierten Sexismus und Rassismus wenigsten bewusst zu machen und hoffentlich dadurch etwas zu verringern.

Was aber, wenn es keine solchen Merkmale gibt, die es leicht machen, Gruppen zu konstruieren?

Sprachen können helfen, Unterschiede zu konstruieren: Ukrainisch und russisch sind meiner Lernerfahrung nach weniger verschieden als z.B. französisch und deutsch. Ich bin davon überzeugt, dass es für russisch Muttersprachler:innen relativ einfach ist, ukrainisch zu lernen, so wie es für mich als französisch Muttersprachlerin relativ einfach ist, italienisch zu lernen. Aber aktuell werden die Unterschiede zwischen diesen beiden Sprachen eher betont.

Wer welche Sprache spricht, sehe ich aber niemand an. Optisch identifizierbare Merkmale erleichtern eine viel schnellere Sortierung in “die” und “wir”. Deshalb hat nicht nur das Militär die Uniform erfunden.

Die Ukraine hat ein Pendant für Zivilist:innen: Jeweils am dritten Donnerstag im Mai ist der Tag des bestickten Hemdes bzw. der bestickten Bluse, der День вишиванки Wischiwanka-Tag.

Wischiwanka

Die Erfinder:innen des Tages haben ihn sehr bewusst so definiert, dass er immer auf einen Werktag fällt, damit auch alle aktiven ihn auf Arbeit ausleben können. Und natürlich gibt es viele Social Media Kanäle mit vielen Gelegenheiten, Selfies zu posten, für das patriotische Gemeinschaftsgefühl.

Eine viel hübschere Uniform als Kaki-grün-oliv, aber multiform ist mir lieber.


Posted

in

by