Eine Zensur findet nicht statt

So steht es in Artikel 5 Grundgesetz:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Die in der EU allgemein zugänglichen Quellen zum Thema russisch-ukrainischen Krieg schrumpfen: Seit 24. Februar 2022 hatte ich mich auf RIA Novosti über die russische Regierungsposition informiert. Eine Liste der im ersten Jahr verwendeten ukrainischen, Exil-russischen und Regierung-russischen Medien steht im Post “Zum Jahrestag zwischen den Stühlen”.

Seit 17. Mai 2024 ist RIA Novosti infolge von EU-Sanktionen gesperrt. Eine Pressemitteilung erklärt, warum ich diese Quelle nicht mehr nutzen darf, um mich über russische Regierungsansichen zu informieren. Diese Erklärung leuchtet mir nicht ein. Das ich etwas lese, bedeutet noch lange nicht, dass ich es glaube. Und ich bin besorgt, welche derzeit noch allgemein zugänglichen Quellen mir in Zukunft gesperrt werden.

Aus Anlass der RIA-Novosti-Sperrung unten meine aktuelle Medienliste.

Aus beruflichen Gründen schaffe ich nicht alle Quellen jeden Tag, und natürlich lese ich sie nie vollständig. Aber mindestens zehn Artikel aus immer allen drei Perspektiven – ukrainisch, Exil-russisch und Regierung-russisch – lese ich jeden Tag. Auf ukrainisch (lerne ich seit 16. Juni 2023 mit einigem Erfolg und 2 Super-Lehrerinnen, Details siehe FR-IT-EN-DE-RU-UK) oder russisch (hatte ich in circa 1975 ein Jahr lang in der Schule). Zur Kontrolle meines rudimentären Verständnisses verwende ich Google translate, nach English.

Aufwändig? Ja, schon, ich würde gerne meine Freizeit angenehmer verbringen. Aber Krieg und Frieden sind zu wichtig für Bequemlichkeit.

Ich bin Bürgerin eines Landes, dessen Parlament einen wissenschaftlichen Dienst betreibt, der 34 Seiten lang erklärt, warum dieses Land hoffentlich trotz aller unter anderem finanziellen und materiellen Unterstützung für eine Kriegspartei selbst keine Kriegspartei ist. Juristisch ansprechend formuliert. Faktisch relevant? Ich weiß es nicht.

Ist aber auch egal: Ich will wissen, warum und wofür die ukrainische und die russische Regierung Krieg führen, aus so erster Hand wie möglich, und wie Menschen in der Ukraine und Russland, die diese Entscheidung tagtäglich ausbaden müssen, darüber denken. Also lese ich, Stand 17. Mai 2024:

Ukrainische Medien:

Друкарня

ДЗЕРКАЛО ТИЖНЯ

Фокус

Kyiv Post

НАШІ ГРОШІ

СУСПІЛЬНЕ

Telegraf

Українська правда

Укрінформ

UNIAN

Russische Exilmedien:

Новая газета

МЕДУЗА

Russische Medien:

Коммерсантъ

Лента

ТАСС

Eine wilde Mischung? Ja. Zum Teil ist es aber interessanter, worüber diese sehr unterschiedlichen Medien berichten, oder auch nicht, als was in den Artikeln steht. Da ist der Vergleich immer spannend, und besonders bei Ereignissen, die auch international wahrgenommen werden. Für sehr viel ukrainischen und russischen und Exil-Alltag ist das sehr ausdrücklich nicht der Fall.

Warum in der Originalsprache? Es gibt doch auch Englische Varianten?

Oh ja, wie bei Al Jazeera und Al Jazeera. Ich höre seit Jahren von Leuten, die arabisch können, dass es da große Unterschiede gibt. Bei arabisch habe ich mir noch nicht die Mühe gemacht, selbst nachzuschauen – vielleicht ein Projekt für die Rente, als neue Herausforderung. Bei ukrainisch und russisch hatte ich ein bisschen Basis, das Alphabet, und lese mit den Muttersprachler:innen mit.

In der Ukraine können diese übrigens nicht alles mitlesen: Kyiv Independent erscheint nur auf Englisch. Warum? Keine Ahnung. Habe bei der Redaktion angefragt und noch keine Antwort.


Posted

in

by