Ende 2024 verschärft sich der Fachkräftemangel bei beiden Kriegsparteien:
- In den ukrainischen Medien häufen sich die Berichte von Widerstand gegen die Mobilmachung und Forderungen nach einer Ausweitung der Fremdenlegion. Die angestrebten Zahlen neuer Kämpfer werden bei weitem nicht erreicht, die erschöpften Kämpfer können nicht von der Front weg rotiert werden. Die vielen Skandale rund um gekaufte Atteste helfen nicht.
- Russland erhöht die Prämien für “Freiwillige”, ohne großen Erfolg, und bereitet den Fronteinsatz nordkoreanischer Soldaten vor.
Auch die Tonlage in den Medien ändert sich, auf je eigene Weise:
- In den ukrainischen Medien wird öfter erwähnt, dass keiner sich diese Phase des Kriegs, der jetzt auch offiziell in 2014 begonnen hat, so lange, hart und verlustreich vorgestellt hat. Immer häufiger wird sehr deutlich Enttäuschung bis Verbitterung gegenüber einem West geäußert, der zu wenig hilft und die Ukraine in der entscheidenden Phase im Stick lässt?
- In den russischen Medien wird lieber über den Nahostkonflikt und das BRICS+-Treffen in Kasan berichtet als über die Entwicklungen an der Front. Wenn darüber berichtet wird, wird sehr stark betont, dass Russland dem ganzen Westen gegenübersteht, der die Ukraine gegen Russland (und stellvertretend den globalen Süden) instrumentalisiert. Nur so lässt sich der offensichtlich ausbleibende Erfolg rechtfertigen.
Ökonomisch läuft es auch nicht gut:
- Trotz massiver finanzieller Hilfen aus dem Westen muss die ukrainische Regierung zusätzlich Steuern und Abgaben erhöhen. Die Unternehmen leiden sowohl unter den Folgen der russischen Angriffe auf die Energie- und Transport-Infrastruktur als auch unter einem Personalmangel, der durch strengere Regeln für die Freistellung vom Wehrdienst verschärft wird.
- Die russische Zentralbank muss aufgrund der sich verschärfenden Inflation die Leitzinsen erhöhen und die Regierung hat Mühe, Anleihen zu ihr genehmen Konditionen zu platzieren.
Der Anfang vom Ende des russisch-ukrainischen Kriegs? Oder eine Phase der erhöhten Eskalationsgefahr, weil beiden Seiten bewusst wird, dass sie nicht ewig so weiter Krieg führen können wie bisher?
Wann kommt ein Waffenstillstand? Wieviele Tote und Invalide wird es auf beiden Seiten gegeben haben? Wie kann Koexistenz bis Versöhnung nach so einem Krieg aussehen, auf welcher Basis kann ein friedlicheres Miteinander starten?
Der Westen ist auf jeden Fall Schuld an der Misere. Wir im Westen sind Schuld:
- Aus Sicht der russischen Propaganda hat der Westen, haben wir die Ukrainer:innen ermuntert, aufgehetzt, dazu verleitet, sich gegen ihre natürlichen Partner, deren Kultur und Sprache aufzulehnen.
- Aus Sicht der ukrainischen Propaganda versagt der Westen, versagen wir, wenn wir nicht jetzt – sofort – diese Woche – heute – mehr Geld, weitreichendere Waffen und überhaupt alle erdenklichen Formen der praktischen Unterstützung zur Verfügung stellen, gegen den gemeinsamen autokratisch-imperialistischen Feind vor den Mauern der Festung Europa.
Diese Gemeinsamkeit in der gegensätzlichen Schuldzuweisung lässt erahnen, auf welcher Basis irgendwann Verständigung bis Versöhnung zwischen Ukrainer:innen und Russ:innen geschaffen werden könnte:
An dem Tag, an dem der Westen, an dem wir, Reparationen für das Verbrechen des Kolonialismus und den Raubbau der frühen Industriegesellschaften an endlichen natürlichen Ressourcen leisten, an dem wir uns ganz praktisch den Herausforderungen einer gerechten globalen Ordnung mit Chancengleichheit für alle Erdbewohner:innen stellen, am Ende der Scheinheiligkeit, jenseits der Traums von einer unmöglichen Festung Europa, dort und dann ist es leicht vorstellbar, wie sich Ukrainer:innen und Russ:innen einigen können, dass unter anderem ihnen viel Unheil angetan worden ist, über Generationen hinweg, und dass die nächsten Generationen es viel besser machen können, gemeinsam, mit Respekt für die jeweilige Sprache und Traditionen.
Schöner Traum? Naiver Traum? Dann mal her mit der besseren Idee!
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